Über die ‘ganz normale’ Logik des Kapitals auf dem Wohnungsmarkt – Margit Englert liest Auszüge aus “Rosemarie F. – Kein Skandal”. Anschließend Erfahrungsaustausch und Diskussion.
Wie im Kapitalismus Hunger noch nie ein Grund war, Nahrungsmittel zu produzieren, so ist im Sozialstaat die Not keine Rechtfertigung, sich das Benötigte ohne staatliche Erlaubnis zu nehmen.
„Das private Eigentum an der Ware Wohnraum“ – sei es nun vom Eigentümer oder einer anderen Person bewohnt – ermöglicht, „weitgehend frei über diese Ware zu verfügen und sie gewinnbringend zu verwerten“. Dies steht im Widerspruch zur sozialstaatlichen Almosenvergabe. Die dem Liberalismus inhärente „Freiheit“ muss schließlich geschützt werden. Und diese meint nun einmal nicht die Freiheit, sich das basale Bedürfnis nach einem Dach über dem Kopf zu erfüllen, sondern die Freiheit des Grundeigentümers, niemanden friedlich wohnen zu lassen, der der fortdauernden Verwertung der Ware Wohnraum tendenziell im Weg steht.
Zwischen 5000 und 7000 Zwangsräumungstermine finden jährlich allein in Berlin statt, wobei meist die Androhung einer gewaltsamen Räumung bereits ausreicht, damit die Mietpartei das Feld räumt. Doch nicht immer: Rosemarie F. hat über ein Jahr um ihre eigene Wohnung gekämpft. Sie ist eine
von Vielen, die in Abhängigkeit einer sozialstaatlichen Institution (dem Grundsicherungsamt) eine Wohnung mietete. Wenn diese Institutionen eine Übernahme der Mietzahlung nicht mehr gerechtfertigt erachten oder das Bedürfnis nach dem eigenen privaten Rückzugsraum zu teuer zu werden scheint, sind vor allem diese als „Sozialfälle“ Stigmatisierten von
Zwangsräumungen betroffen. Am 11. April 2013, zwei Tage nach der Zwangsräumung starb Rosemarie F. in einer Wärmestube. Sie wollte nach der Räumung „niemals mehr vom Sozialamt abhängig sein!“.
Margit Englert wird die Verflechtungen von Sozialstaatlichkeit und Immobilienwirtschaft anhand Rosemaries Geschichte erläutern und aus ihrem Buch vorlesen, zu dem sie selbst schreibt:
„Dieser Text ist vor allem ein Diskussionsbeitrag. Wie können sich Menschen mit emanzipatorischem Ziel mit den Verhältnissen auseinandersetzen? Was behindert das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Menschen unter einem Dach und in einer Stadt?“
Chris Rotmund wird im Anschluss an die Lesung die Diskussion moderieren, die Raum für eben diese Fragen aber auch für den Austausch von Erfahrungen bieten soll.
Die Veranstaltung wird eingeleitet durch einen kurzes In-Put zur Situation des Kiezladen Friedel54, sowie dessen Kampf gegen seine drohende Verdrängung. Es gibt Infos zu vergangenen und geplanten Aktionen, sowie Sticker und Friedel-Merchandise in Hülle und Fülle.