PRESSEMITTEILUNG
Freispruch für Demonstranten – Protest gegen die Räumung des linken Kiezladens in der Friedelstraße 54 als grundrechtlich geschützte Versammlung anerkannt
Göttingen, den 07.02.2019
Am 29.06.2017 wurde der Kiezladen „Friedel 54“ geräumt. Zum Zwecke der Durchsetzung der Räumung wurde dabei die Friedelstraße nördlich und südlich an den Kreuzungen Weserstraße und Lenaustraße durch sog. „Hamburger Gitter“ von der Polizei abgesperrt.
Vor diesen Gittern sammelten sich in den Morgenstunden insgesamt mehr als 500 Demonstranten. Parallel hatten ca. 150 Demonstranten eine Sitzblockade innerhalb des abgesperrten Bereichs errichtet, sie hatten sich dort bereits vor der Errichtung der Absperrungen aufgehalten. Die Demonstranten bekundeten lautstark mittels Megaphonen, Transparenten und Parolen ihren Protest gegen die Räumung.
Gegen 10 Uhr räumte die 24. Einsatzhundertschaft der Berliner Polizei die Weserstraße. Die Polizeibeamten forderten einzelne Demonstranten auf, sich aus der Straße zu entfernen, ohne dies indes näher zu begründen. Als diese sich nicht entfernten, wurde „einfache körperliche Gewalt“ sowie Pfefferspray eingesetzt. Unmittelbar im Anschluss wurde der Angeklagte festgenommen. Er soll durch das Bilden von Ketten und Stemmen gegen die Polizeibeamten Widerstand gegen die Maßnahmen geleistet haben.
Wie auch in anderen Fällen aus dem Gesamtkomplex der Räumung (http://www.taz.de/Raeumung-der-Friedel54-vor-Gericht/!5515924/) wollten Polizei und Staatsanwaltschaft hier nicht auf eine Versammlung erkennen. Diese Einordnung hatte erhebliche Folgen für die insgesamt 47 Beschuldigten.
Denn das Versammlungsrecht ist „polizeifest“ – Eine Versammlung kann aufgrund ihres grundrechtlichen Schutzes zwar mittels einer Auflage beschränkt oder im Extremfall sogar aufgelöst oder verboten werden, polizeirechtliche Maßnahmen wie der hier durchgesetzte Platzverweis sind jedoch ausgeschlossen. Die Folge wäre hier, dass die Polizeimaßnahmen als rechtswidrig zu bewerten wären, ein Widerstand dagegen bleibt nach dem Gesetz straffrei.
In der ersten Instanz vor dem Amtsgericht Tiergarten wurde der Angeklagte am 17.07.2018 wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt. (244 Cs 97/18) Das Gericht bemühte in seiner schriftlichen Urteilsbegründung einen höchst fragwürdigen Vergleich, als es in der schriftlichen Urteilsbegründung die Ansammlung der Demonstranten mit „den in sog. „Problembezirken“ immer häufiger zu beobachtenden sich bei polizeilichen Maßnahmen bildenden Ansammlungen von störenden Personen“ verglich und eine Versammlungseigenschaft ablehnte.
„Damals habe ich mich maßlos geärgert. Nicht nur, dass das Gericht Vergleiche mit rassistischem Unterton bemühte, die Staatsanwaltschaft lieferte auch mit dem Satz „Nur weil sich einige Protestierer zusammenrotten, um ihren Unmut über die Räumung eines linken Kiezladens in die Welt hinauszubrüllen, macht das noch lange keine vom Grundgesetz geschützte Versammlung“ eigentlich eine flapsige Musterdefinition einer Versammlung.“ erinnert sich RA Nils Spörkel.
In der Verhandlung vor dem Berliner Landgericht am 06.02.2019 wurde klargestellt, dass auch eine nicht angemeldete Versammlung dem Schutz des Grundgesetzes unterliegt. (560 Ns 100/18) In der Beweisaufnahme wurde deutlich, dass es sich bei der Ansammlung der Demonstranten um eine Versammlung mit dem Ziel der Teilnahme an der politischen Willensbildung gehandelt hat. Diese wurde ohne erkennbare Rechtsgrundlage, ohne Auflagen- oder Auflösungsverfügung in Grundrecht auf Versammlungsfreiheit beschränkt. Sich gegen ein derartiges Vorgehen zu wehren, auch mit direktem Körpereinsatz, bleibt straffrei.
„Ich betrachte dieses Vorgehen der Polizei auf Demonstrationen viel zu oft. Die Sensibilität für den hohen Wert der Versammlungsfreiheit in einer Demokratie ist hier regelmäßig zu gering. Ich kann nur hoffen, dass dieses Urteil vielleicht zu einem Umdenken bei der Polizei beiträgt.“ so RA Spörkel abschließend.
Viele weitere Verfahren aus dem Räumungskomplex sind noch nicht rechtskräftig. Das gestrige Urteil könnte auch auf diese Verfahren einen erheblichen Einfluss ausüben.
Für weitere Rückfragen steht RA Nils Spörkel unter den genannten Kontaktdaten zur Verfügung.
Rechtsanwalt Nils Spörkel
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