[PM] Nach Rigaer94 und M99: Neue stadtpolitische Eskalation?

+++ Morgen findet der Räumungsprozess gegen das soziale Zentrum „Kiezladen Friedel54“ am Amtsgericht Neukölln statt +++ Kundgebung gegen die drohende Räumung vor dem Amtsgericht +++ 12 Jahre soziokulturelle Arbeit wird von luxemburgischen Briefkastenfirma verdrängt +++ Gericht drückt Prozess trotz Terminüberschneidung des vertretenden Anwalts durch +++

Am kommenden Donnerstag, den 20. Oktober findet ab 9:00 Uhr der Räumungsprozess, gegen das sozio-kulturelle Zentrum „Kiezladen Friedel54“ vor dem Amtsgericht Neukölln statt. Nach 12 Jahren soll das soziale Zentrum nach dem Willen der luxemburgischen Briefkastenfirma „Pinehill s.a.r.l.“ verschwinden. Eine besondere Brisanz erhält das Verfahren durch die Vorgeschichte des Konflikts.

Nach einem ausdauernden Kampf der Hausgemeinschaft und des Kiezladens, gegen die drohende Verdrängung durch umfassende Modernisierungen und die damit verbundenen Mietexplosionen – durch die vorherigen Besitzer, der wiener Immobiliengruppe Citec – wurden Verhandlungen über den Verkauf des Hauses an die Hausgemeinschaft mithilfe einer Stiftung und des Mietshäusersyndikats erstritten. Dies geschah unter der Moderation durch die Bezirksbürgermeisterin Frau Giffey und anderer Funktionsträger im Bezirksamt Neukölln. Die Verhandlungen wurden künstlich hinausgezögert, um dann doch das Haus wider vorherigen Absprachen und hinterrücks an die frisch gegründete Pinehill s.a.r.l. zu verkaufen. Diese ist Teil eines weit verzweigten Geflechts an Briefkastenfirmen und dubiosen Einzelpersonen aus Luxemburg, Frankreich und den USA.

Neben der drohenden Räumung des Kiezladens – die skandalöser Weise ein Passus des Kaufvertrages darstellt – drohen auch den Mieterinnen und Mietern weitere Modernisierungsmaßnahmen und enorme Mietsteigerungen. Faktisch bedeutet dies die Verdrängung von zum Teil jahrzehntelang dort wohnenden Menschen und der Verlust, eines der letzten unkommerziellen und sozialen Räume im neuköllner Reuterkiez.

Dazu erklärt Matthias Sander, ein Sprecher des Kiezladen-Kollektivs: „Das ein Raum, der seit über 12 Jahren wichtige soziale, kulturelle und politische Arbeit im Reuterkiez leistet, einfach so geräumt werden soll, ist für sich schon eine Schweinerei. Das dies durch eine Firma geschieht, die noch kein ganzes Jahr existiert, in Luxemburg angesiedelt ist und in Berlin den dicken Reibach abkassieren will, setzt dem Ganzen die Krone auf.“

Ohne Protest soll die Räumung und der vorherige Prozess nicht vonstatten gehen. „Wir mobilisieren ab 8:30 Uhr vor das Amtsgericht Neukölln und laden offen zur aktiven Prozessbeobachtung ein. Wir, d.h. die Aktiven, Freundinnen und Freunde des Kiezladens, wollen diese Ungerechtigkeit nicht stillschweigend hinnehmen. Das Verdrängung, insbesondere von finanziell schwachen Menschen und unkommerziellen Räumen, in Berlin seit Jahren ausufert wissen wir. Deswegen kämpfen wir auch stellvertretend für all die anderen Projekte, Gewerbe und betroffenen Menschen. Wir wollen eine neue, eine wirklich soziale Stadt.“ erläutert Sander abschließend.

Neben der Kundgebung ist bereits die nächste Aktion der Kiezladen-Aktiven geplant. Am 19. November soll eine Kiez-Demonstration vom Herrfurthplatz aus, quer durch Neukölln ziehen um auf die drohende Räumung und Verdrängung generell aufmerksam zu machen.

Fragen richten sie bitte direkt an Matthias Sander. Er ist auch morgen während der Kundgebung für Statements und Nachfragen ansprechbar: 0176-91281251