Statement zum Polizeieinsatz am 03.06.

Provokationen, Polizei, Polonaise
Der Versuch einer antifaschistischen Infoveranstaltung

Am Abend des 03. Juni 2014 versuchte ein Großaufgebot der Berliner Einsatzhundertschaft den selbstverwalteten Projektraum in der Friedelstraße 54 zu stürmen. Dort sollte eine Infoveranstaltung der der Kampagne „Greif ein – Nazis und Rassist*innen keine Ruhe lassen!“ aus dem Harzkreis in Sachsen-Anhalt stattfinden.

Fotos, Testosteron & Kavallarie

Vorausgegangen war eine Provokation durch Zivilbeamte, die offensiv & offensichtlich aus einem Auto auf der gegenüberliegenden Straßenseite Bilder vom Eingangbereich und den, sich zu diesem Zeitpunkt dort befindlichen Menschen machten. Nachdem ihre – zugegebermaßen noch ausbaufähige – “Tarnung” aufflog, wussten sie sich wie üblich nicht anders zu helfen, als sich Tonfa schwingend ihrer Autorität zu vergewissern. Gleichwohl waren die Beamten offensichtlich der Meinung, dass Tonfa & Pfefferspray als Legitimation ihres Status vollkommen ausreichen; eine verbale Kenntlichmachung als Polizeibeamte erfolgte ebenso wenig, wie irgendeine Begründung für ihre Anwesenheit.

Ohne ersichtlichen Grund erhielten diese zunächst Verstärkung durch weitere Zivilkräfte, kurz darauf durch Einheiten der Einsatzhundertschaft. Diese versuchten dann auch ohne Vorwarnung, jeder Art von Kommunikation und ohne Durchsuchungsbeschluss gewaltsam in die Räume zu stürmen, was durch die anwesenden Menschen zunächst verhindert werden konnte. Etwa zeitgleich drangen BeamtInnen in das Treppenhaus und den Hinterhof ein. Die Friedelstraße wurde zwischen Weser- und Lenaustraße abgesperrt.

Zu den konkreten Vorwürfen seitens der Polizei wollen und können wir uns zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht äußern. Aber seid versichert, dass – nicht einmal aus einer bürgerlich-rechtsstaatlichen Perspektive – ein solcher Überfall nur im Ansatz dadurch gerechtfertigt werden konnte.

Die offensichtliche Überwachung durch Zivilbeamte im Vorfeld & das absolut unverhältnismäßige und unverschämte Auftreten danach legt nahe, dass wie so oft antifaschistisches Engagement und deren Akteur*innen als das eigentliche und “gefährlichste” Problem angesehen werden, die es zu überwachen und zu schikanieren gilt. Das dies System hat, zeigt sich in endlosen Beispielen. Diese aufzulisten ist nicht Ziel dieses Statements. Stichworte wie NSU, Oury Jalloh, die Razzien in Berlin der vergangenen Zeit, der ganze Refugee-O-Platz-Schule-Komplex und viele andere, große und kleine Widerlichkeiten sollten hier ausreichen.

Nachdem sich die Bullen einen Durchsuchungsbeschluss besorgt hatten und mit gewaltsamen Eindringen drohten, entschieden sich die Menschen in der Friedel diese freiwillig zu verlassen, um unnötigen Schaden an Menschen, Türen und der Einrichtung zu verhindern.

Bei allen fand eine Identitätsfeststellung und Durchsuchung statt. Die Bullen waren auch – in Begleitung einer Anwältin – in allen Räumen der Friedel, aber nur um sich zu vergewissern, das alle die Räume verlassen haben. Es wurde nichts durchsucht oder beschlagnahmt.

Alle Betroffenen wurden nach einer ewigen Wartezeit einzeln aus dem Kessel geführt, niemand wurde festgenommen. In dieser Situation gab` es, nach jetzigem Kenntnisstand, auch bei den Supporter*innen keine Festnahmen. Falls es auf der Spontandemo, oder im Nachgang, noch zu welchen gekommen sein sollte, ergänzt das bitte.

Solidarität auf vielen Ebenen

Während der ca. 3 Stunden dauerten Aktion sammelten sich immer mehr solidarische Menschen rund um die Friedel und machten ihrem Unmut über die polizeiliche Aktion Luft. Sprechchöre und viele kleine Dialoge zeigten den Beamt*innen, wie wenig Sympathie & Verständnis ihre “Arbeit” erzeugt. Von Balkonen wurden die eingekesselten Menschen von solidarischen Nachbar*innen mit Musik & kleinen Snacks versorgt. Ein – scheinbar besonders penibeler – Beamter löste durch eine einzelne Kontrolle eines Fahrrades auf Verkehrtüchtigkeit einen wahren Massenansturm besorgter Fahrradbesitzer*innen aus und “die Menge durchmischende Polizeieinheiten” wurden durch Polonaisen begleitet. Als die Polizeiarmada abrückte, zogen viele der noch anwesenden Supporter*innen mit einer Spontandemo durch den Kiez und eine kleine Gruppe solidarischer Menschen bekundete ihre Solidarität mit der (leckeren) Dienstagsvokü.

Und nun?

Wir – Betroffene, Nutzer*innen und Sympathisant*innen der Friedel – sind wütend über den Überfall auf unser Projekt, der sich einreiht in eine lange Liste polizeilicher Repression gegenüber Menschen, Strukturen & Projekten, die sich aktiv gegen die vielen Missstände in ihrem Kiez, ihrer Stadt und so vielen anderen Orten auf der Welt stellen und versuchen auf vielerlei Wegen eine Welt zu schaffen, das frei ist von Herrschaft, Gewalt, Ausgrenzung und Ausbeutung.

Wir werden den Angriff als das nehmen, was er ist: Ein Angriff auf all die Menschen und Ideen, die das bestehende in Frage stellen und nach etwas neuem und besserem streben. Wir werden es nicht hinnehmen & uns auf verschiedenen Ebenen dagegen wehren. Aber wir werden auch – unabhängig davon – weitermachen, im und mit dem Projekt Friedel54 gegen alle Ungerechtigkeiten dieses Systems zu kämpfen und Alternativen dazu erproben und entwickeln.

Wir freuen uns über Solidaritätsbekungen jeder Art. Es geht nicht nur um dieses Projekt, der alte Spruch aus der Anti-Repressionsarbeit ist aktueller denn je: Betroffen sind Einzelne, gemeint sind wir alle. Zeigt euch mit uns, und allen anderen betroffenen Menschen & Projekten solidarisch. Wehrt euch gegen die Ungerechtigkeiten, die euch betreffen, engagiert euch in Nachbarschaftsinitiativen, politischen Gruppen, Hausprojekten, Kollektiven oder Projekträumen. Zeigt euren Protest in der Form, die euch am meisten zusagt: Malt Bilder und schreibt Parolen an die Wände, hängt Transpis aus euren Fenstern, schreibt Lieder, sprecht mit euren Nachbar*innen, schreibt Protestbriefe, besucht Demonstrationen, Aktionen oder unsere regelmäßigen Vokü- und Tresentermine. Tragt Botschaften auf euren Klamotten, mischt euch ein wenn ihr etwas seht, das euch falsch erscheint und wehrt euch, gemeinsam und kollektiv, wenn ihr selbst von Ungerechtigkeit betroffen seid.

Solidarität ist natürlich keine Einbahnstraße, wir unterstützen euch natürlich genauso, wie ihr uns unterstützt.

Last but not least: Ein dickes Dankeschön und tausend Küsse an die vielen, super solidarischen Menschen, die uns vor der Friedel unterstüzt und später ihren Protest durch den Kiez getragen haben. An die, die auf allen Kanälen mobilisiert und die Schweinerei verbreitet haben. Und ganz besonders an die Anwältinnen und die anderen Menschen, die sich eingemischt, organisiert und kommuniziert haben. Dank euch haben wir uns nie alleine gefühlt.

Solidarität ist keine hohle Phrase und das zu sehen gibt enorm viel Kraft. DANKE!

Einige Kollektivist@s der Friedel54
04.06.2014

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