Polizeilich verhinderte Info-Veranstaltung über antifaschistische Kampagne im Harzkreis wird morgen nachgeholt
Letzte Woche versuchte ein Großaufgebot der Berliner Polizei die Räume der Friedel54 zu stürmen. An diesem Tag sollte eine Info-Veranstaltung der antifaschistischen Kampagne “Greif ein! – Nazis & Rassist*innen keine Ruhe lassen” aus dem Harzkreis in Sachsen-Anhalt stattfinden, was besagtes Großaufgebot erfolgreich zu verhindern wusste.
Weil wir die Ziele der Kampagne super finden und insbesondere, weil wir die gewaltsame Verhinderung der Veranstaltung nicht einfach so stehen lassen und hinnehmen wollen, wird die Info-Veranstaltung am morgigen Mittwoch (11.06.) um 20:00 Uhr nachgeholt.
Menschen, die sich aktiv gegen Nazis & Rassist*innen, ihre Strukturen und unzähligen Übergriffe wehren, werden von staatlicher Seite oft als das eigentliche und gefährliche Problem angesehen und dementsprechend schikaniert und kriminalisiert. Gleichzeitig verharmlost die selbe Seite rechte Übergriffe, Brandanschläge und Morde, leugnet rassistische, homophobe oder antisemitische Hintergründe und verharmlost die Gefahr, die durch neonazistische Ideen für all diejenigen besteht, die in irgendeiner Weise nicht in deren beschränktes Weltbild passen.
Das dies weder unbegründet, noch übertrieben ist, zeigt sich leider fast täglich. Während kürzlich eine Pizzeria in Friedrichshain von Nazis verwüstet und mit ausländerfeindlichen Parolen und Nazi-Symboliken beschmiert wurde, geht die größere Gefahr für die Polizei offensichtlich von Wandbildern – oder wie in unserem Fall – Power-Point-Präsentationen und selbstgekochtem Essen aus. Während letztere mit großem Aufwand, dutzenden Einsatzfahrzeugen und ein vielfaches mehr an BeamtInnen bedacht und das Wandbild in einer aufwändigen Aktion durch Polizei & Feuerwehr von einem kritischen Slogan befreit wurde, wird der Besitzer der Pizzeria – nach der obligatorischen “Untersuchung” des Tatorts – mit Phrasen und Plattitüden allein gelassen.
Und selbst wenn die TäterInnen gefasst werden sollten, viel zu befürchten haben sie vom Justizapperat nicht. In den letzten Wochen wurde bspw. der Berliner Landesvorsitzende der NPD, Sebastian Schmidtke, gleich drei Mal verschiedener Vergehen schuldig gesprochen. Unter anderem wegen mehrfacher Volksverhetzung und zuletzt wegen seiner zentralen Position innerhalb des Nationalen Widerstands Berlin, deren Homepage – bis zu ihrer Abschaltung 2012 – ein buntes Potporee aus Adresslisten und Fotos vermeindlicher “Feinde”, zahlreichen Aufrufen zu Körperverletzungen oder Brandstiftungen und Jubelmeldungen über rassistische Übergriffe, Brandanschläge auf linke Projekte und viele andere ekelhafte Taten bot. Diese Tätigkeiten kann Schmidtke voerst auch noch weiter ausüben, denn alle drei Verurteilungen wurden auf Bewährung ausgesetzt.
Wir sind keineswegs der Meinung das Gefängnisstrafen grundlegend etwas an der Bedrohung durch alte und neue Nazis oder dem Rassismus der Mitte ändern, doch geht es uns hier um den Vergleich. Während solche TäterInnen nur zu oft mit einem blauen Auge (oder auch mal dreien) davon kommen, trifft Antifaschist*innen regelmäßig die “volle Härte des Gesetztes”. Da erhält ein – nicht vorbestrafter – Teilnehmer der erfolgreichen Blockaden gegen die Nazi-Großaufmarsch in Dresden, wegen einer angeblichen Megaphondurchsage 1 Jahr und 10 Monate Haft ohne Bewährung. Oder der Fall Deniz K. aus Nürnberg. Während einer Demonstration gegen die Taten der NSU und der Verstrickung der Sicherheitsbehörden darin, soll Deniz mit einer Fahnenstange in Richtung einiger USK-Beamter geschlagen haben. In Folge dessen wird er wegen fünffachem, versuchtem Totschlag angeklagt und aufgrund angeblicher Verdunkelungsgefahr (begründet durch Verwandte in der Türkei) 14 Monate in Untersuchungshaft belassen. Die Anklage wegen Totschlag war schlussendlich nicht haltbar, trotzdem wurde er zu 2,5 Jahren Jugendhaft verurteilt. Zwei kleine Beispiele unter vielen, die deutlich machen wie aktuell das alte Credo von Franz-Josef Strauß (immerhin mehrfach Bundesminister, bayrischer Ministerpräsident und heute noch Quasi-Heiliger der CSU) “Der Feind steht links” noch ist.
Und schlussendlich verwundert es dann auch nicht, dass PolizistInnen und andere Sicherheitskräfte rechte Gewalt nicht nur verharmlosen, sondern in trauriger Regelmäßigkeit selbst gegen Betroffene aktiv werden, unter Zuhilfenahme der selben Vorurteile, Denkmuster und zum Teil auch der Methoden. Aktiv durch rassistische Klischees, wie die jahrelangen Behauptungen, die Opfer des NSU müssten – aufgrund ihrer migrantischen Herkunft – in kriminelle Aktivitäten verwickelt gewesen sein. Aktiv durch rassistische Gewalt, wie dutzendfach in den letzten Jahren geschehen. (Nachzulesen bspw. in der – unvollständigen – Chronik rassistischer Polizeiübergriffe im Zeitraum 2000 – 2014 in Berlin von KOP Berlin) Und aktiv durch Morde, wie etwa an Oury Jalloh, der 2005 in einer Dessauer Polizeizelle bei lebendigem Leib verbrannte.
All das macht deutlich, dass der Kampf gegen Faschismus, Rassismus und all die anderen Widerlichkeiten nicht dem Staat & seinen Sicherheitsbehörden überlassen werden kann. Wer sich eine Gesellschaft wünscht, in der niemand mehr aufgrund äußerlicher Merkmale, sexueller Orientierung oder sozialem Status ausgegrenzt, bedroht, angegriffen oder ermordet wird, muss selbst aktiv werden. Egal ob in antifaschistischen oder antirassistischen Initiativen, Gruppen und Projekten, auf Demonstrationen oder Kundgebungen, egal ob mit Schild, Stift oder Flugblatt, egal ob durch Informationsarbeit, Sitzblockaden, Nazi-Outings, Internetprojekten oder Beratungsangeboten: wichtig ist es zu erkennen, dass rassistische, nationalistische, faschistische etc. Ansichten immer zu Ausgrenzung, Übergriffen und Morden führen werden, solange sie existieren. Und das sie auch weiterhin existieren werden, wenn wir uns nur auf Polizei, Justiz und den Staat verlassen.
Die Kampagne “Greif ein! – Nazis & Rassist*innen keine Ruhe lassen”, ist ein tolles Beispiel für selbstorganisierten, antifaschistischen Protest und aus vielerlei Gründen unterstützenswert.
Wir würden uns freuen, möglichst viele von euch auf der morgigen Veranstaltung zu sehen. Aus Solidarität gegenüber der Friedel54, aus Protest gegen die Verhinderung des ersten Versuchs und natürlich aus Sympathie für die Arbeit der Kampagne. Und besonders toll fänden wir es, wenn möglichst viele Menschen am kommenden Samstag, den 14. Juni zur Demonstration nach Halberstadt fahren. Zugtreffpunkt für Berlin ist am selben Tag, um 10:40 Uhr am Alexanderplatz (Regionalbahnsteig). Die Demo startet um 14:00 Uhr am Hauptbahnhof in Halberstadt. Abends findet dann noch im zora e.V. eine After-Demo-Party mit Refpolk, Pyro One, DJ Kai Kani (Rap aus Berlin) und Hass & Kappe (Techno aus Berlin) statt.
Zum Abschluss kurz & knapp:
Info-Veranstaltung der Kampagne “Greif ein! – Nazis & Rassist*innen keine Ruhe lassen” (Homepage / Mobivideo)
Mittwoch, 11.06.2014 | 20:00 Uhr
Friedel54 (In den Räumen des AKAZIE-Berlin e.V. | Friedelstraße 54, 12047 Berlin | U Hermannplatz)
Wie immer gibt`s neben der Veranstaltung leckere Vokü, günstige Kaltgetränke und allerlei Info-Stuff. Und im Keller warten zwei Gratis-Kicker & unsere kleine Freebox.