[PM] Demonstration am Samstag: Nordneukölln zum rebellischen Kiez machen!

Pressemitteilung zur Neuköllner Demonstration “Rebellische Nachbarn, solidarische Kieze, Stadt von unten!” am Samstag, 19.11., ab 16.30 h

“Ich bin täglich mit Menschen konfrontiert, die von Immobilienfonds oder Kapitalgesellschaften aus Häusern vertrieben werden, die aus reinem Kapitalverwertungsinteresse erworben wurden.” Diesen Satz schrieb der scheidende Sozialstadtrat Neuköllns im September als Antwort auf eine Solidaritätsanfrage der Hausgemeinschaft Friedelstraße 54.
Bernd Szczepanski (Bündnis 90/Die Grünen) bekundete wie andere lokalpolitische Akteure seine Sympathie für das Soziale Zentrum Friedel54, das seit 12 Jahren im Ladenlokal unter den 16 Mietparteien politische Veranstaltungen, Volksküchen, Kneipenabende und Gruppentreffen ermöglicht. Seit Mai sind diese Räume besetzt, weil das Dutzend Gruppen, das sie mit Leben füllt, die Kündigung nicht akzeptiert. Es darf nicht wieder ein sozialer Raum verloren gehen, nur weil einige reiche Leute noch reicher werden wollen!
Doch da der Mietenmarkt im Bezirk allgemein schlimm ist, hat das Kiezladenkollektiv die von ihm organisierte Demonstration am kommenden Samstag nicht nur auf sich bezogen.

“Rebellische Nachbarn, solidarische Kieze, Stadt von unten!” So lautet das Motto der Demonstration, die um 16.30 Uhr mit einer Kundgebung auf dem Herrfurthplatz (U Boddinstr.) beginnt und am Kottbusser Damm endet.

Sehr viele Menschen hat es in den letzten Jahren ungleich schlimmer getroffen, als die Gruppen der Friedel54: Sie haben ihre Wohnung verloren, weil sie eine Mieterhöhung nicht tragen konnten oder weil das Arbeitsamt einen Fehler bei der Mietzahlung beging; sie leben in einer Massenunterkunft ohne Privatsphäre und müssen womöglich sogar die Abschiebung fürchten; sie leben in Angst vor Übergriffen durch Rassisten, die vom Aufstieg der AfD angestachelt werden.
All dem halten die Menschen, die hinter der Friedel54 stehen, die Vision einer solidarischen Gesellschaft entgegen – einer Solidarität, die nachbarschaftlich gelebt wird und somit Politik und Wirtschaft von unten fundiert und .
In Berlin werden jährlich an die 10.000 Zwangsräumungen gerichtlich festgesetzt. Ist Wohn- oder Gewerberaum erst mal zu einer Ware geworden, sind extreme Preissprünge kaum noch zu verhindern, wenn der Markt sie hergibt. Die Besetzung der Friedel54 ist praktische Kritik an einem Eigentumsbegriff, der kollektives Eigentum als Gemeingut nicht mehr kennt und massenhaft Menschen von grundlegenden sozialen Zusammenhängen ausschließt.
Das Haus Friedelstraße 54 wurde 2014 von der Wiener Immobilienfirma Citec gekauft. Sie bereitete schon Modernisierungen vor, die die Mieten extrem erhöht hätten, und kündigte vor einem Jahr dem Sozialen Zentrum die Räumlichkeiten. Es folgten eine massive Kampagne gegen Citec und der Versuch von Kiezladen und Hausgemeinschaft, das Haus gemeinsam zu kaufen. Die Verhandlungen scheiterten, weil Citec unverschämt viel Geld wollte. Im Sommer verkauften die Wiener Spekulanten das Haus dann an die luxemburgische Immobilienfirma Pinehill, die sofort die Räumungsklage gegen den Kiezladen einreichte. Mittlerweile wurde eine Räumungsfrist bis Ende März gewährt.
Ein Reisebus brachte den Protest schon bis zur Wiener Citec-Zentrale. Der lange Arm der Friedel54 wird aber auch bis Luxemburg reichen! Es scheint, dass kein Gesetz den Verlust dieses sozialen Raums, der sich gegen Konsumzwang und Diskriminierung richtet, verhindern kann. Was wir in letzter Zeit auf Bundes- und Landesebene an mietenpolitischem Getue erleben, ist eine Show, die jenen Teil der Bevölkerung beruhigen soll, von dem die großen Parteien noch etwas zu erwarten haben. Zu diesem Teil der Bevölkerung zählen wir vom Kiezladen Friedel54 nicht! Wir wissen, dass keine Regierung ein ernstzunehmendes Konzept hat. Wie auch? Sie akzeptieren die herrschende Warenförmigkeit grundlegender sozialer Ressourcen. Deshalb rufen wir unsere Mitmenschen auf, Gegenmacht aufzubauen. Schließt euch uns an, um rebellische Kieze zu schaffen! Wir fangen in Neukölln an, wissen aber, dass wir dabei Hilfe aus anderen Stadtteilen erhalten, so wie wir uns gegen Zwangsräumungen und polizeilich ausgerufene “Gefahrengebiete” in anderen Stadtteilen gewendet haben.
Proteste gegen Verdrängung sind in Berlin weiterhin vernetzt. Wir sind solidarisch mit dem berühmten “Kilometer Anarchie” (B.Z.) in der Rigaer Straße und jedem anderen Meter, der sich der Systemlogik entzieht! Wir unterstützen die Kämpfe gegen die Bebauung der Cuvrybrache, gegen die Räumung des Ladens M99, des Sozialen Zentrums Potse/Drugstore und ähnlicher Projekte – und all das im Gedenken an den Verein Allmende, der seine unweit der Friedel54 gelegenen Räumlichkeiten im März 2015 auf dieselbe Weise verlor, die nun uns droht.
Wir gehen nicht freiwillig! Wir sorgen für eine rebellische Nachbarschaft! Der Kampf geht weiter!

Für Fragen:
Matthias Sander, Tel.: 017691281251
Mail: kiezladenf54bleibt@riseup.net